Meine radikal ehrlichen Eindrücke zum Sommer-Retreat (September 2024)

Es ist mir immer noch ein Rätsel, wie Stephan wissen konnte, dass ich für die Abschlussrunde einen kleinen Text vorbereitet hatte. Gut, dass die Übereifrigen wie ich noch vor dem Frühstück gebremst wurden, denn sonst sässen wir alle immer noch im Retreat.

Jetzt, auf der Heimreise im Zug gen Frankfurt gewinne ich langsam den nötigen Abstand, um meine Eindrücke nochmal aufs Papier zu bringen. Dabei versuche ich, so gut ich kann, die Tage im gegenwärtigen Moment nachzuspüren. Es wird, ja es muss, ein unvollständiger Versuch bleiben, denn die Woche war einfach zu intensiv, zu tiefschichtig für mich, als dass ich die Essenz davon verschriftlichen könnte. So beschränke ich mich auf ein paar Highlights, in der Hoffnung, du erkennst, dass wir auf dem gleichen Retreat waren.

Auch wenn ich mittlerweile genügend SoundCloud Tracks von Stephan gehört habe, sodass auch scheinbar tautologische Sätze wie „Der Gedanke, dass du Gewahr bist, ist auch nur ein Gedanke in deinem Gewahrsein“ keine inneren Widerstände mehr in mir hervorrufen, so hat sich dann doch der „innere Rebell“ in mir gemeldet.

Verzeih mir, wenn ich nicht mehr genau sagen kann, ob es am dritten oder vierten Abend war, denn mein Zeitempfinden hatte sich spätestens ab dem zweiten Tag in einen zeitlosen Flow aufgelöst – jedenfalls kam Stephan auf die geniale Idee auch das musische Element in die Meditationspraxis mit einzuführen. Eigentlich kommt mir das sehr entgegen, denn über die Musik komme ich schon immer sehr leicht mit meiner Gefühlsebenen in Kontakt.

An diesem Abend aber, als der Raum von den Schwingungen der Meditationstage aufgeladen war und sich eine unbeschreiblich heilige Stimmung ausgebreitet hatte, als in diese noble Ruhe dann die sphärischen Klänge hinzugefügt wurden ohne etwas von der Stille wegzunehmen, als dann die Gruppe in das Mantra „May all the beings in all the worlds be happy“ chorusgleich einstimmte, da war der Kipppunkt erreicht: die Gruppe fing vor meinem inneren Auge an mindestens einen Meter über dem Boden zu schweben und ein Heiligenschein erstrahlte über Stephans Haupt! Mein innerer Rebell hatte sich an dieser Stelle schon entschieden: Nur ein Stück von NIRVANA kann uns noch retten, und uns ins Diesseitige zurückholen!

Obwohl ich es kaum für möglich gehalten hätte, löste sich auch ohne NIRVANA mein innerer Rebell wieder auf und mit „Into my arms“ von Nick Cave lief mir dann wirklich die Gänsehaut über meinen wunderbar tai-chi und chi-gong gelockerten Rücken: einer der vielen berührenden Momente in diesem Retreat!

Ich gebe es an dieser Stelle ungern zu, aber ich bin eigentlich nur gekommen, um Stephans Weisheit in Präsenz zu erleben, du, mein lieber Mit-Meditierender, warst mir bei der Anmeldung ziemlich „Wurst“. Ich wusste ja, dass wir Schweigen werden, insofern stand der soziale Aspekt bei mir nicht im Vordergrund: Wie dumm von mir!

Die Verbindungen, die ihr untereinander schon pflegt und die Offenheit, die ihr mir entgegengebracht habt, habe ich mit jedem Tag mehr gespürt und das hat dann zunehmend auch meine Meditationen gestützt und genährt. Ganz besonders möchte ich mich bei dir für den ein oder anderen Blickkontakt bedanken, der mich Hoffen lässt, damit nicht nur meine eigene Realität gespiegelt zu haben.

So konnte ich die Müdigkeit des Alltags zusehends zurücklassen, mich in der Gruppe immer mehr entspannen, mich in der Natur des Schöcklblick und bei den Körperübungen mühelos vitalisieren und mit Stephans Anleitung tiefer und tiefer in die Meditation sinken. Diese wurde immer seltener von Gedanken besucht, die ich nicht als solche erkennen konnte. Die Biester sind wirklich „sticky“, aber, hey, nach 30 Stunden Meditation, entkommt da keiner mehr unerkannt. Spätestens beim Gong, hatte ich ihn gestellt!

Fast unmerklich konnte sich so ein tiefes Gefühl der anlasslosen Freude in mir entwickeln, das ich zum Ende der Woche immer deutlicher gespürt habe. In der Aufregung des Abschieds ist es wieder verloren gegangen, egal, der Tiger in mir muss sich nicht sorgen.

Apropos Tiger, kann der Tiger DANKE sagen?

Christian S.